Fachartikel des Bundesverbandes Finanz-Planer e.V.

Stellungnahme zum Entwurf des Merkblattes zu wohlverhaltensaufsichtsrechtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten

Stellungnahme zum Entwurf des Merkblattes zu wohlverhaltensaufsichtsrechtlichen
Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten

An die BaFin
Graurheindorfer Str. 108
53002 Bonn

Sehr geehrte Damen und Herren!

Den Entwurf zu dem genannten Thema begrüße ich sehr, da die die Aspekte des Kundennutzens einer kapitalbildenden Lebensversicherung(LV)/Rentenversicherung(RV) in den Vordergrund der Betrachtungen gestellt werden, ob ein solches Produkt sinnvoll oder sinnlos angesichts der anfallenden Kosten und damit der mangelnden Rendite ist.

Bevor ich zum Thema komme, möchte ich mich kurz vorstellen, um auch die Zielrichtung meiner Stellungnahme damit zu begründen.

1. Meine Person und derzeitige Tätigkeit

Ich war Professor an der Hochschule Koblenz für Finanzierung, Investition und Controlling. Bis heute nehme ich Lehraufträge im Fach Finanzmathematik an der Hochschule Koblenz im Weiterbildungsstudiengang Betriebswirt betriebliche Altersvorsorge (bAV) und an der Dualen Hochschule in Heidenheim im Studiengang BWL Versicherungen wahr. Die Studentinnen und Studenten hören in den Vorlesungen Ausführungen zur Ermittlung der Effektivkosten und Effektivrendite, die sie dann auch anhand praktischer Fälle in den Vorlesungen und in den Klausuren nachrechnen. Grundlagen dazu sind die gesetzlichen Bestimmungen, Verordnungen, die mathematischen Formeln und meine Publikation zu den Effektivkosten im April 2020, die mit drei weiteren Autoren erstellt wurde. Die Publikation ist als 3. und 4. Anhang beigefügt. Die Publikationen der BaFin dazu sind ebenfalls Bestandteil der Literaturangaben wie z.B. Ihr genannter Entwurf.

2. Zielvorgaben aus Sicht des Kunden (VN)

Vor Abschluss einer LV sollte der Kunden/Verbraucher in der Lage sein, aus den Daten des Vertragsangebotes ermitteln zu können, ob sich das Produkt für ihn lohnt oder nicht. Diese Betrachtungsweise kommt in dem Entwurf zu kurz.

Der Kunde sollte auch nach Abschluss z. B. einer fondsgebundenen LV kontrollieren können, in welche Fonds die Gesellschaft investiert hat. Da diese in keiner Statistik mit Ansparplänen - auch nicht beim Bundesverband der Investmentgesellschaften (BVI) – mit der Kennzahl Wertentwicklung p. a.(WE p.a.) aufgeführt sind, ist eine faktische Kontrolle über die Standmitteilungen nicht möglich. Bei diesen Fonds werden die WE p.a. oder WE kumuliert auch nur selten in der Fondsstatistik des BVI bei Einmalanlagen genannt, was ja auch absolut nichts bringt.

Der Erfolg oder Misserfolg einer Fondspolice ist in den Jahren nach Abschluss einer solchen LV ist vom VN/Verbraucher nicht zu erkennen. Dazu gibt es keine Hinweise in Ihrem Merkblatt.

3. Begriffsdefinitionen

Bei den zertifizierten Produkten – Riester- und Basis-(=Rürup-)Rente - wurden die Begriffe Effektivrendite und Effektivkosten gesetzt. Das ist sehr zu begrüßen, da diese Begriffe juristisch, betriebswirtschaftlich und mathematisch eindeutig sind.

Allerdings ist das bei „Rendite“ und Wertentwicklung“ nicht der Fall. In anderen Gesetzestexten wird auch vom Rechnungszins gesprochen. Es ist an der Zeit, hier einheitliche Begriffe zu verwenden.
Der BVI spricht von einer Wertentwicklung kum. >(=kumuliert) und Wertentwicklung p.a. aber nur bei Einmalanlagen. Der BVI gibt auch eine Statistik zu Ansparplänen heraus aber ohne Wertentwicklung kum. oder p.a. auch der Begriff Performamnce wird in der Branche oft verwendet.
In den Angeboten bzw. Verträgen der LVUs wird auch noch von der Wertentwicklung vor Kosten und nach Kosten gesprochen. Wie weit diese Begriffe auch in Verordnungen, Gesetzestexten genannt werden, habe ich nicht geprüft.
Auf der Seite 8 unten kreieren Sie die Rendite nach Kosten.
Ist diese identisch mit der Wertentwicklung nach Kosten oder gar mit der Effektivrendite?

Sie sprechen auf der Seite 15 von Ablaufleistung. Auch dazu gibt es in sehr vielen Publikationen unterschiedliche Bezeichnungen.

Ferner wird in den Verträgen und teilweise in Gesetzestexten und insbesondere in den Angeboten/Verträgen der LVUs auch noch von Gesamtkostenquoten(= RIY = Reduction in Yield) gesprochen, die nach meiner Sicht nichts anderes sind als die Effektivkosten.

Ich schlage folgende einheitliche Begriffsbestimmungen für Verbraucher, LVUs und Gesetzgeber vor:

Rechnungszins = Effektivrendite vor Kosten, = Wertentwicklung vor Kosten usw. bezogen auf den Sparanteil
(Anmerkung: Der Begriff ist bekannt, deutsch und könnte leicht übernommen werden.)
./. Effektivrendite = Effektivzins der Kapitalanlage LV = Ihr RnK
= Effektivkosten = sehr gute Begriffsbezeichnung

Nach meiner Sicht reicht die Effektivrendite völlig, der neue Begriff RnK ist nach meiner Sicht überflüssig.

Die Formel zur Berechnung der Effektivrendite wurde ja von der PIA-Stelle genannt und ist nichts anderes als die sehr bekannte Formel für die Effektivzinsrechnung bei Krediten.

4. Aufsichtsrechtliche Aspekte

Dass Sie die Verhaltensweisen in der Aufsicht von LVs durch dieses Merkblatt vertiefen wollen, ist sehr zu begrüßen.
Mir liegen Verträge über fondsgebundene LVs eines LVUs aus dem letzten Jahr vor, in denen weitere Dachfonds zusätzlich gegründet werden, nur um zusätzliche Kosten zu produzieren, die den Ertrag des Verbrauchers bei einer fondsgebundenen LV erheblich schmälern. Daher sind Ihre Ansätze in dem Merkblatt sehr wichtig und voll zu unterstützen. Ihr Entwurf geht in die richtige Richtung, dass alle Kosten und Vergütungen der LVUs bezogen die LV/RV der Verbraucher/VN offen gelegt und überwacht werden.

5. Die Instrumente „Effektivkosten“, „Effektivrendite“ und Laufzeitberechnungen

Sie übernehmen anscheinend die Angabe der Effektivkosten der LVUs ungeprüft. So habe ich Ihre wichtige Publikation im Frühjahr 2022 im BaFin-Journal zu diesem Thema interpretiert.

Oft werden die Effektivkosten in den mir vorliegenden Angeboten ohne Zusammenhang mit einer Wertentwicklung vor Kosten und/oder Ablaufleistung genannt. Damit ist eine Kontrollrechnung nicht möglich.

In den ersten Jahren nach der Verordnung wurden sie auch noch falsch berechnet zu Lasten des Verbrauchers.

Mit der Effektivrendite einer LV lässt sich mit einem handelsüblich finanzmathematisch programmierten Taschenrechner der durchschnittliche Sparanteil einer LV leicht berechnen.

Wenn von 100 € nur 80 € oder weniger als durchschnittlicher Sparanteil in die LV nach eigenen Vorgaben der LVUs in die Kapitalanlage einfließen, um die vorgegebene Ablaufleistung mit dem vorgegebenen Rechnungszins zu erzielen, dann ist das LV-Produkt von Anfang an ein „Nonsens-Produkt“. Es taugt einfach nicht. Dabei müssen Beiträge für eine einkalkulierte BU-Versicherung und/oder Risiko-LV außen vor bleiben. Ich habe nicht den Eindruck, dass die BaFin die Angaben der LVUs zu den Effektivrenditen und Effektivkosten bei der LV-/RV-Tarifgenehmigung prüft.

Ich schlage daher vor, dass sich die BaFin von einem unabhängigen und finanzmathematisch sehr anerkannten Sachverständigen ein solches Rechenprogramm schreiben lässt und es auf Ihrer Homepage zu Verfügung stellt. In diesem Programm würden die Effektivrenditen und Effektivkosten, der durchschnittliche Sparanteil und die Prozentzahlen dazu auf einer maximal zwei Seiten dargestellt.

Damit könnte jeder Verbraucher vor Abschluss einer LV nachrechnen, ob sich das Produkt nach Angaben der LVU lohnt oder nicht.

Zusätzlich könnte man auch leicht die Laufzeitberechnungen programmieren, wie es die Wirtschaftswoche (WIWO) s. 5. Anhang es gemacht hat. Man könnte die LV des VN bei Tod mit 85, 90, 95 und 100 Jahren auf die Effektivrendite berechnen, damit der Verbraucher eine Vorstellung davon hat, ab wann die LV während der Rentenphase in schwarzen Zahlen steht und eine Effektivrendite von > 0,00% erzielt wird.

6. Nettopolicen

Dieses Thema wird in dem Entwurf überhaupt nicht behandelt. Wenn ein Versicherungsberater eine fondgebundenen LV empfiehlt, so bekommt er für seine Tätigkeit vom VN ein Honorar, die Provisionen auf Seiten des LVU sollten dann entfallen und die Kosten massiv reduziert sein. Dazu gibt es im Entwurf des Merkblatts keine Hinweise. In der Politik wird das Thema Honorarberatung und das Thema Provisionen rund um die Versicherungs- und Finanzdienstleistungen stark diskutiert, daher wäre eine Einbindung provisionsfreier RV-/LV-Tarife in diesen Entwurf sehr wichtig.

7. „Nonsensprodukte“

Im 6. Anhang erhalten Sie eine anonymisierte Kopie einer Rentenversicherung(RV) aus dem vorigen Jahr. Sie wurde einer 69 Jahre alten Dame angeboten.
Die Laufzeit dieser garantierten RV soll nur 10 Jahre betragen.
Der Tarif wurde von der BaFin genehmigt.
Wenn die VN dieses Angebot angenommen hätte, hätte sie „garantiert“ weniger an _Rente erhalten, als sie eingezahlt hätte. Die prognostizierte Rente bringt nach Steuern eine Effektivrendite von unter 1,00%.
Dieses Produkt hätte die BaFin von Anfang an nicht zulassen dürfen.
Das betreffende LVU hat dieses Produkt seit Oktober 2022 aus dem Markt genommen.

8. Fazit

Der Ansatz im Entwurf dieses Merkblattes mit der Forderung nach einer entsprechenden Rendite(besser Effektivrendite) einer RV /LV ist sehr zu begrüßen. Diese sollte nach meiner Ansicht bei Genehmigung eines LV-Tarifes durch die BaFin berechnet und publiziert werden und auch sofort erfolgen.

Die Angaben von Rechnungszins, Effektivrenditen, Effektivkosten sollten tabellarisch im Zusammenhang aufgeführt sein, damit der VN sie nicht kompliziert auf mehreren Seiten suchen muss.

Die Begriffe sollten einheitlich in allen Gesetzen, Verordnungen und Bestimmungen einheitlich definiert sein, damit der Verbraucher und VN sich auf eine klare Sprache verlassen kann.

Die verschärfte Aufsicht über die gesamten Kostenstrukturen durch die BaFin unterstütze ich voll.

Die Instrumente zur schärferen Produktkontrolle durch den VN durch eine entsprechende mathematische Software auf der Homepage der BaFin wäre sehr wünschenswert. Denn wenn eine renditeschwache RV abgeschlossen ist , ist es nur möglich, mit überhöhtem Kostenaufwand besser gesagt mit Verlusten auf Seiten des VN aus der RV /LV wieder herauszukommen. Der Verbraucherschutz vor Vertragsunterschrift muss unbedingt verschärft werden.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Prof. Bockholt

Anlagen

  • Artikel "Effektivkosten – Die neue Transparenz bei Altersvorsorgeprodukten für Verbraucher und Vermittler/Berater?", Prof. Heinrich Bockholt
  • Artikel "Zweifel an den Effektivkosten von Lebensversicherungen", Versicherungsjournal vom 20.04.2020
  • Wirtschaftswoche vom 18.11.2022, Seite 84
  • Rentenversicherungsbeispiel
  • Entwurf Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten
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Autor
Heinrich Bockholt
Anschrift
Prof. Heinrich Bockholt

Institut für Finanzwirtschaft
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56073 Koblenz
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