Fachartikel des Bundesverbandes Finanz-Planer e.V.

Dispozinsen als Verzugsschaden unzulässig überhöht

Buxtehude, den 03.06.2009: Die Umstände sind vielen Darlehenskunden zurzeit bestens bekannt. Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit lassen die regelmäßigen monatlichen Einnahmen wegbrechen. Die Haushalte geraten in die Bredouille, ihre monatlichen Raten für aufgenommene Kredite zu erbringen. Schnell wird dabei aus dem positiven Saldo des Girokontos ein negativer. Nicht selten wird sogar die Dispogrenze verletzt und das Girokonto driftet in den Überziehungsbereich ab.

Wenn, was häufig vorkommt, dass die Konto führende Bank und das darlehensgewährende Institut identisch sind, bucht der Darlehensgeber die periodischen Kreditraten sogleich, weil es so einfach ist, bei Fälligkeit direkt vom Girokonto ab. Damit stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines derartigen Vorgehens in Fällen, unter denen das Konto bereits überzogen wurde. Möglicherweise ist der Darlehensgeber in derartigen Fällen ungerechtfertigt bereichert.

Die Hintergründe: Eine Geldschuld ist während des Verzugs mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Das jedenfalls besagt § 288 Abs. 1 BGB. Der Basiszinssatz notiert aktuell bei 1,62%. Damit beträgt die zulässige Verzinsung 6,62%. Dieser Zinssatz ist auch für Darlehensforderungen gegenüber Nicht-Verbrauchern maßgeblich, denn der gesetzlich mögliche höhere achtprozentige Satz gilt nur bei Entgeltforderungen. Darlehensforderungen aber stellen keine Entgeltforderungen dar. Verbraucher sind bei Immobiliendarlehen sogar nur zur Zahlung von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für rückständige Raten verpflichtet (§ 497 Abs. 1 BGB), zurzeit 4,12%.

Tatsächlich verzinst der Kunde seine Schulden auf dem Girokonto aber häufig mit 10% oder mehr. Damit erhält das Geldhaus mehr als ihm zusteht. Bucht die Bank selbst, nachdem der Dispositionskreditrahmen bereits ausgeschöpft ist, die rückständigen Kreditraten noch vom Girokonto ab, verschafft es sich Zusatzeinnahmen, die um im Allgemeinen um weitere 4 Prozentpunkte höher liegen. Das sind 14% und mehr. Gegenüber Verbraucherdarlehensnehmern ist der Zinssatz auf rückständige Raten beim Immobilienkredit damit um sage und schreibe 10 Prozentpunkte zu hoch.

Ein Zahlenbeispiel unterstützt das Verständnis: Frau Voss hatte im Jahr 2004 einen Hauskredit über 200.000 EUR aufgenommen. Zinssatz 6%, die Tilgung 1,5%. Die jährliche Darlehensleistung beläuft sich deshalb auf 15.000 EUR, monatlich 1.250 EUR. Seit zwei Jahren hat sie Mühe, das Darlehen zu bedienen. Ihr Girokonto ist seit dieser Zeit überzogen. Seit einem Jahr ist überdies auch der Dispositionskredit ausgeschöpft. Der Ratenrückstand – stets ausgeglichen über einen ansteigenden Schuldsaldo auf dem Girokonto – beläuft sich somit schon auf 30.000 EUR. Der eingeräumte Dispositionskredit – Verzinsung 11% – beträgt 12.000 EUR. Da dieser ausgeschöpft ist, zahlt Frau Voss an Zinsen jährlich 1.320 EUR. Die weiteren 18.000 EUR werden mit Dispozins plus Überziehungsaufschlag verzinst: 15%. Frau Voss leistet darauf jährlich 2.700 EUR. Für die Rückstände auf ihren Immobilienkredit leistet sie somit jährlich über 4.000 EUR.

Die Bank dürfte dafür aber zurzeit gerade einmal 4,12% verlangen. Im Jahr sind das 1.236 EUR auf eine Säumnis von 30.000 EUR. Frau Voss zahlt somit glatt 2.800 EUR zu viel.

Doch das ist nicht alles. Vierteljährlich wird das Girokonto abgerechnet. Die Bank schlägt die fälligen Zinsen für den Dispositions- und den Überziehungskredit auf den Schuldsaldo des Girokontos noch oben auf. Damit verzinsen sich diese Aufschläge in der Zukunft ebenfalls mit dem hohen Satz von 14% oder mehr. Eine weitere Unrechtmäßigkeit. Es gilt das sog. Zinseszinsverbot. Danach dürfen von Zinsen Verzugszinsen nicht verlangt werden (§ 289 BGB). Explizit wird diese Regel für Verbraucher nochmals in der Norm des § 497 Abs. 2 S. 1 BGB betont: „Die nach Eintritt des Verzugs anfallenden Zinsen sind auf einem gesonderten Konto zu verbuchen und dürfen nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Betrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden.“

Solche fehlerhafte Kontoführungen lassen sich auch nachträglich noch angreifen. Ansprüche verjähren bei bestehender Kenntnis am Ende des vierten Kalenderjahres, zählt man das Jahr, in dem die Kenntnis erlangt wurde, als erstes Jahr. Bei nicht vorliegender Kenntnis verjähren sie zehn Jahre, nachdem der Anspruch entstanden ist. Zur Klärung der Erfolgsaussichten wird anwaltliche Unterstützung empfohlen.

Leider ist die Ermittlung der Ansprüche mathematisch weitaus komplizierter als hier in einem einfachen Beispiel dargelegt. Betroffenen wird deshalb die Einholung gutachterlichen Rats empfohlen.

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Autor
Klaus Wehrt
Prof. Dr. Klaus Wehrt
Anschrift
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